Tour Mitte-Süd

Stadtplan mit Erinnerungen der Zwangsarbeit und Mahnmalen mit Bezügen zur NS-Zeit

Zwangsarbeiter*innen gehörten im Zweiten Weltkrieg zum Stadtbild von Hannover. Ungefähr 60.000 Frauen und Männer wurden aus West- und Osteuropa hierher verschleppt. Im gesamten Stadtbild bestanden während des Krieges mehr als 500 Lager. Die Gedenkstättenfahrradtour durch Hannover Mitte und Süd zeigt viele geschichtsträchtige Orte in Verbindung mit Zwangsarbeit im dritten Reich. Schnapp dir dein Fahrrad und schon kann es losgehen!

1. Start am Neuen Rathaus Hannover

Das Neue Rathaus am Trammplatz (Heinrich Tramm von 1891 bis 1918 Stadtdirektor), das nach 12-jähriger Bauzeit am 20. Juni 1913 eingeweiht worden war, war symbolträchtig für die NS-Propaganda mit ihrem Machtanspruch und Kulisse für die Selbstdarstellung der Nazis. In der NS-Zeit wurden hier Entscheidungen zur Verfolgungspolitik sowie der damit in Verbindung stehenden Verbrechen getroffen.

Im Oktober 1943 wurden 28 Zwangsarbeiterinnen im „Lager Oberbürgermeister Abt. Gemeinschaftsküche“ im neuen Rathaus untergebracht. Später folgten weitere Zwangsarbeiterinnen, so dass schließlich 42 „Küchenmädchen“ bis zum Kriegsende dort angemeldet waren. Insgesamt waren es 500 Zwangsarbeiter*innen, die nachweislich für die Stadtverwaltung bei der Straßenreinigung, den Gaswerken, in den Krankenhäusern, bei den Häfen im Gas- und Wasserwerk arbeiten mussten.1

Im Rathaus befindet sich gegenüber des Eingangs in den Gartensaal ein Gedenkraum, die sog. Grotte, für die Opfer von Zwangsarbeit und KZ-Haft in Hannover. Hinweistafeln erläutern die städtische Erinnerungskultur und das Mahnmal am Maschsee. Zwei Gedenkbücher enthalten die Namen der Toten, die auf dem Ehrenfriedhof am Nordufer beigesetzt sind, sowie die Namen der Insassen des KZ-Stöcken (Akkumulatorenfabrik).

Rathaus Rückseite
Gedenktafel aus der „Grotte“

2. Stadtbibliothek Hildesheimer Straße

1944-1945 Sitz der Gestapo Leitstelle Hannover.
Von hier aus erfolgten Verhaftungen und Strafverfolgungen von Zwangsarbeiter*innen wegen sog. Arbeitsdelikte. Im Keller der heutigen Stadtbibliothek befand sich ein Polizeiersatzgefängnis.

Weitere Informationen zur Stadtbibliothek

Stadtbibliothek

3. Ehrenfriedhof Maschsee Nordufer

Auf diesem Friedhof ruhen 386 KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus vielen europäischen Ländern, darunter 154 Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion, die bei einer Massenerschießung am 6.April 1945 – vier Tage vor der Befreiung Hannovers – auf dem Stadtfriedhof Seelhorst ermordet wurden.

Das Denkmal des ukrainischen Bildhauers Mykola Muchin wurde vielfach im „Kalten Krieg“ zerstört (1947 Kopf der Figur abgeschlagen, in den frühen 50er Jahren der Sowjetstern entfernt, 1979 und 1987 Sprengstoffattentate verübt und 1980 Mahnmal mit Farbe übergossen).

Denkmal des ukrainischen Bildhauers Mykola Muchin

Eine Geschichts- und Erinnerungstafel informiert in Schrift und Bild über den historischen Ort. Hier wird auch auf das Schicksal von Nadja Podmogilnaja, der einzigen Frau unter den 154 Erschossenen hingewiesen.

Im Jahr 1979 übernimmt die IG-Metall die Patenschaft für den Friedhof.

Seit den 1980er Jahren finden hier jährlich Veranstaltungen am 8. Mai zum Gedenken an das Kriegsende und die Befreiung sowie am 1. September zum Antikriegstag statt.

Geschichts- und Erinnerungstafel am Mahnmal

4. Fackelläufer am Maschsee Nordufer

Beispiel für Kunst in der NS-Zeit,1937 aufgestellt (Bildhauer Hermann Scheuernstuhl).

Die Figur nimmt Bezug auf den Hitlergruß und das olympische Feuer, das 1936 erstmals von Olympia zu den Spielen in Berlin getragen wurde. Der NS-Staat wurde mit der Inschrift am Sockel verherrlicht. 1945 wurde das Hakenkreuz herausgeschlagen.2

Fackelläufer
„Der Maschsee“ Bauplanung und Skulpturen

5. Gedenktafel zur Erinnerung an die Bücherverbrennung in Hannover

Am 10. Mai 1933 verbrannten die Nationalsozialisten öffentlich Bücher und Werke jüdischer, liberaler, pazifistischer und marxistischen Schriftsteller*innen. In Hannover fand die Bücherverbrennung am Bismarckturm (wurde beim Bau des Maschsees abgetragen) in den Maschwiesen (heute Maschsee, Höhe Geibelbastion) statt. Ihrer künstlerischen und geistigen Freiheit beraubt flüchteten nach der Bücherverbrennung viele Angehörige der geistigen Elite ins Ausland. Wer in Deutschland zurück blieb, den verfolgten die Nationalsozialisten unerbittlich. Seit 2013 erinnern in Hannover eine Gedenkplatte sowie eine Informationstafel an das nationalsozialistische Verbrechen und rücken den authentischen Ort der Bücherverbrennung, der heute vom Maschsee überdeckt ist, wieder ins öffentliche Bewusstsein.

Infotafel „Bücherverbrennung 1933 in Hannover“

6. Mahntafel gegen Kolonialismus auf dem Bertha-von-Suttner-Platz

Der ehemalige Karl-Peters-Platz mit dem Denkmal für den Kolonialisten und Rassisten Karl Peters (der eine langjährige Freundschaft zu dem hannoverschen Stadtdirektor Tramm pflegte) wurde am 28. Oktober 1935 eingeweiht und ist ein Beispiel für die Kolonialpolitik in der NS-Zeit.

Die Mahntafel gegen Kolonialismus wurde auf Initiative der hannoverschen Friedensbewegung, insbesondere des Friedensforums Südstadt, am 30. Juni 1988 vom damaligen Oberbürgermeister Schmalstieg eingeweiht. 1994 wurde der Platz durch Umbenennung der Pazifistin, Friedensforscherin und Schriftstellerin Bertha von Suttner gewidmet.

Die Architektur des Platzes ist ein Beispiel für typische Siedlungen der Nazizeit, wie sie auch in Kleefeld, Bothfeld, Groß- und Kleinbuchholz sowie in Ricklingen (Schmalz-Siedlung) zu finden sind.

Mahntafel gegen Kolonialismus

7. Hiroshima Hain auf der alten Bult

Dieser Gedenkhain mit 110 Kirschbäumen und Kunst Installationen wurde 1987 an der Eilenriede im Stadtteil Bult im Rahmen der Städtepartnerschaft Hannover-Hiroshima angelegt und dient dem Gedenken an den Atombombenabwurf am 06. August 1945, bei dem 110.000 Japaner ums Leben kamen.3

Infotafel zum Hiroshima-Gedenkhain

8. Seelhorster Friedhof mit Mahnmalen

Am 6. April 1945, wenige Tage, bevor am 9./10. April 1945 US-Truppen Hannover erreichten und die Wehrmacht in Hannover kapitulierte, ermordeten die Nazis auf dem Seelhorster Friedhof noch 154 Häftlinge des Polizeigefängnisses Ahlem aus der ehemaligen Sowjetunion und anderen Ländern. Die Opfer, die sich ihr eigenes Massengrab schaufeln mussten, wurden nach der Befreiung Hannovers im Ehrenfriedhof am Maschsee beigesetzt.4

Überraschend fand man neben dem Massengrab mit den 154 Erschossenen weitere Massengräber mit insgesamt 376 Toten – Zwangsarbeiter*innen verschiedener Nationalität und Insassen hannoverscher Konzentrationslager -, die zumeist durch Entkräftung oder Krankheit und KZ-Haft gestorben waren. Mit Plakaten an die hannoversche Bevölkerung rief die britische Militärregierung dazu auf, bei der am 2. Mai 1945 stattfindenden Exhumierung, für die stadtbekannte NSDAP-Angehörige beordert worden waren, anwesend zu sein. Den Lastwagen mit den exhumierten Leichen folgte vom Seelhorster Friedhof aus bis zum Begräbnisplatz am Maschsee-Nordufer ein langer Trauerzug. 386 der Toten, darunter die 154 Erschossenen, wurden dort beigesetzt. 140 fanden ihre Ruhestätte in der Hauptachse des Seelhorster Friedhofs.

Ein erstes Mahnmal für die Toten der hannoverschen Konzentrationslager wurde am 14. September 1947 auf dem Friedhof eingeweiht.

Hauptachse: Erstes Mahnmal auf dem Friedhof für die Toten aus den hannoverschen KZ´s am 14. September1947 eingeweiht.

Am Ort der Erschießungen vom 6. April 1945 (Gräberfeld 20p) befindet sich eine Gedenkstele (Nebeneingang an der dem alten Haupteingang gegenüberliegenden Friedhofseite), die von der IG-Metall Hannover initiiert und im Januar 2002 eingeweiht wurde. Jährlich finden dort am 6. April Gedenkveranstaltungen mit Kranzniederlegungen statt.

Gedenkstele der IG Metall

Auf dem Friedhof befindet sich auch ein Kinderfriedhof mit mehreren 100 Gräbern von Kindern (ohne Namen) polnischer, russischer und ukrainischer Zwangsarbeiterinnen.

Kinderfriedhof Würfelplatz

Weitere Informationen zum Seelhorster Friedhof

9. Zwangsarbeit bei der Döhrener Wolle

Die Döhrener Wolle, die während des 2. Weltkriegs mehr als 600 Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen (Italiener, „Ostarbeiter“, Ukrainer, Russen, Belgier und Franzosen) beschäftigte, wurde 1868 als erste deutsche Wollwäscherei gegründet. Die Lage des Firmengeländes an der Leine lieferte Wasser für die Produktion und das Leinewehr ermöglichte die Stromerzeugung.

Zwischen 1869 und 1925 Errichtung einer Siedlung mit etwa 250 Wohnungen, zunächst für Arbeiter, später auch für Angestellte, wegen der schlechten Wohnverhältnisse und Überbelegung Döhrener Jammer genannt. Es ist die älteste und am besten erhaltene Arbeitersiedlung in Norddeutschland, steht komplett unter Denkmalschutz.

Während des Verlaufs des zweiten Weltkriegs erlitten etwa zwei Drittel der Fabrikationsanlagen erhebliche Schäden aufgrund von Luftangriffen. Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter*innen, die in speziell eingerichteten Lagerunterkünften in der Nähe der Fabrikationsanlagen untergebracht waren, leisteten einen bedeutenden Anteil der Arbeitsverantwortung in den Produktionsstätten.

Die erste Ausstellung zum Thema „Zwangsarbeit“ in Hannover wurde 1983 aus Dokumenten der Personalkartei der Döhrener Wolle vom Künstler Hans Hörmann gestaltet, der die Unterlagen aus dem Abfall gerettet hatte.5

Uhrturm
Verwaltungsgebäude

10. Tour-Ende

Die Tour endet südlich des Maschsees, von hier aus kann wieder in Richtung Zentrum gefahren werden. Gute Fahrt!

Fahrrad-Wegweiser

Fußnoten
1 Janet v. Stillfried, Das Sachsenross unterm Hakenkreuz, Reiseführer durch Hannover und Umgebung 1933-1945, Göttingen 2016, 151 ff.
2 https://www.hannover-entdecken.de/fackeltraeger-saeule
3 https://de.wikipedia.org/wiki/Hiroshima-Hain_(Hannover)
4 Janet von Stillfried, a.a.O. S. 250ff.
5 https://doehrenerwolle.wordpress.com