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Der Gebäudekomplex – Stadtbibliothek, Werkstatt der städtischen Bühnen und Wohngebäude an der Maschstraße – wird nach Plänen von Stadtbaurat Karl Elkart und Architekt Hans Bettex 1929 bis 1931 als spätes Beispiel des „Backstein-Expressionismus“ gebaut (wenige Jahre später leiten beide die NS-Altstadtsanierung um den Ballhof). Der zehnstöckige Bibliotheksturm mit Front zur Hildesheimer Straße ist das erste Bibliothekshochhaus in Europa und nach Nürnberg die älteste Bürgerbücherei. Das Gebäude wird im Oktober 1943 schwer durch Bomben getroffen, große Teile der Buchbestände verbrennen. Da beim selben Angriff die nahe Leitstelle der Geheimen Staatspolizei Hannover (Gestapozentrale) in der Schlägerstraße 55 (heute Nr. 5); ausbrennt, zieht ein Bereich der Dienststellen in die List (Rühmkorffstrasse 20), ein anderer auf das Gelände der ehemaligen israelitischen Gartenbauschule in Ahlem, heute Gedenkstätte Ahlem.

Nach gut einem Jahr kamen die Abteilungen aus der Rühmkorffstraße und somit die Gestapozentrale in die Hildesheimerstraße 12, das heutige Bibliotheksgebäude, während die sogenannten Ausländerreferate in Ahlem verblieben. Die häufigsten Verhaftungsgründe in der Strafverfolgung von Zwangsarbeiter*innen waren „Arbeitsdelikte“, die je nach Schwere oder Wiederholungstat willkürlich abgeurteilt und die Verurteilten in Gefängnisse, Zuchthäuser oder Straflager eingewiesen wurden. Arbeitserziehungslager (AEL) waren für die Aufnahme von sogenannten „Arbeitsverweigerern und arbeitsunlustigen Elementen“ bestimmt. Die Lebensbedingungen sollten zur Abschreckung härter sein als in einem Konzentrationslager. Die Einweisungsdauer war meist auf wenige Wochen begrenzt, da die Häftlinge danach wieder dem „Arbeitsprozess zugeführt“ werden sollten. Der direkte Zugriff auf die Zwangsarbeiter*innen durch die Gestapomitarbeiter aus Ahlem bezog sich im Wesentlichen auf das Stadtgebiet Hannover. Im Keller der heutigen Stadtbibliothek hatte die Gestapo ihre Gefängnisräume für Häftlinge.
Inhaftierte Zwangsarbeiterinnen mussten während ihrer Haft für die Gestapo in der Küche arbeiten, wozu sie extra aus Ahlem (Dienststelle der Gestapo in Hannover Ahlem – Gefängnis und Hinrichtungsstätte für Zwangsarbeiter*innen Wunstorferlandstraße 1, heute: Heisterbergallee 10) in die Hildesheimerstraße gebracht wurden. Auch andere Häftlinge wurden für die Interessen der Gestapodienststellen eingesetzt, wie bspw. für Maurer-, Tischlerarbeiten oder als Kapos zur Überwachung von Mithäftlingen.

1948 wird die Bibliothek provisorisch wiedereröffnet, zwischen 1955 und 2003 erfolgen mehrere Umbauten und Erweiterungen.

(Janet v. Stillfried, Das Sachsenross unterm Hakenkreuz, Reiseführer durch Hannover und Umgebung 1933-1945, Göttingen 2016,, 207ff.)