Beginn
Die „Hannoversche Maschinenbau AG“ (Hanomag) wurde 1871 gegründet und spielt in der Geschichte von Rüstungsindustrie in der NS-Zeit und Zwangsarbeit in Hannover eine bedeutende Rolle. Die Fahrradtour führt im weiteren zu mehreren Schauplätzen dieser Geschichte Hanomags. Ausführliche Informationen finden sich auf der Gedenktafel an Station 3.
1 Altes Direktionsgebäude von Hanomag
Das Gebäude an der ehemaligen Hamelner Chaussee wurde 1903 nach Entwürfen des Architekten Georg Phillips erbaut.
Die Räume der Führungsschicht (z.B. das Direktionszimmer) einschließlich eines „Huldigungsbalkons“ liegen zur Straßenseite mit einem „Schmuckplatz“ vor dem Haupteingang, die Angestelltenbüros befinden sich an der Rückseite des Gebäudes.
2 Hammermann vor dem Werkstor des Hanomag-Gebäudekomplexes an der Göttinger Straße
In der Folge der Weltwirtschaftskrise geriet die Hanomag in einen existenziellen Produktionseinbruch. Sie sanierte sich ab 1934 mit Orientierung auf Rüstungsindustrie (1936 bereits 60 % der Gesamtproduktion) und dem Einsatz einer großen Zahl von Zwangsarbeiter*innen (1945 5.200)1
1939/1940 entstand der Gebäudekomplex nach Plänen des Architekten Emil Mewes. Neben dem Werkstor wurde 1941 das „Arbeiterstandbild“ Hammermann des Bildhauers Georg Herting errichtet, Beispiel der heroisierenden NS-Arbeiterdarstellung.2
Über den Säulen des monumentalen Eingangstors sind vier Reliefs eingearbeitet, die je eines der vier Elemente Feuer, Wasser, Erde, Luft symbolisieren.
Hier wird demnächst eine lange in Arbeit befindliche Gedenktafel, initiiert u.a. von dem Verein Gegen das Vergessen./.NS-Zwangsarbeit, installiert.
3 Mahntafel vor Stadler Göttinger Straße (ehem. U-Boothalle)
Am Haupteingang befinden sich die neuen Gedenktafeln zur Zwangsarbeit bei Hanomag von 1939-1945 und zum KZ Mühlenberg 1945 mit ausführlichen Informationen, eingeweiht am 18. Juni 2024 in Anwesenheit der Witwe von Karl Nasemann, dem legendären „stillen Held“, dessen Hilfe u. Einsatz für Zwangsarbeiter*innen, mit denen er zusammen arbeitete, mit der Gedenktafel u. a. gewürdigt wird.
4 Mahnmal für deportierte Juden, Sinti u. Roma am ehemaligen Bahnhof Fischerhof
Der Gedenkstein steht in der Nähe des ehemaligen Bahnhofs, dessen genauer Ort nicht gekennzeichnet ist. Er erinnert an um die 100 Sinti, die 1943 in Verantwortung der hannoverschen Kriminalpolizei in einem Zug vom Bahnhof Fischerhof aus nach Auschwitz deportiert worden sind.
Das Mahnmal hat 1996 der Niedersächsische Verband deutscher Sinti in Erinnerung an alle Opfer des NS-Regimes gestiftet.
Vom Bahnhof Fischerhof wurden von 1942 – 1944 von der Gestapo mehr als 2000 Juden in die Ghettos von Warschau und Riga verschleppt. Weitere Informationen
Am Bahnhof arbeiteten auch Zwangsarbeiter*innen aus dem Lager in Mühlenberg.
Ausführliche Informationen gibt es auf der Mahntafel, die an der heutigen S-Bahn-Haltestelle Fischerhof angebracht ist.
Seit Sommer 2024 gibt es eine Initiative für ein Mahnmal zentral in Hannover in der Nähe des Holocaust-Denkmals am Opernplatz.
5 Zwangsarbeiter*innenlager Mercedesstraße, früher Schlorumpfskoppelweg
Das große Zwangsarbeiter*innenlager Schlorumpfskoppelweg (s. Mahntafel an Station 3) befand sich in dem Bereich zwischen Mercedesstraße (früher Schlorumpfkoppelweg), Schlorumpfsweg und Hamelner Chaussee. Es ist heute nicht genau zu verorten, es gibt keinerlei Hinweis in dem von Industrie und Handelsunternehmen bebauten Gelände.
Dabei handelt es sich, wie die Luftaufnahme der Mahntafel an Station 3 zeigt, um die große Anlage eines Konzentrations- und Zwangsarbeiterlagers. Weitere Informationen
Ein Stopp bei Rossini, italienischer Feinkostmarkt in der Mercedesstraße 3, muntert in dem ausflugmäßig weniger attraktiven Industrie- und Handelsgelände vielleicht auf.
6 Schmalzsiedlung
Ein wenig Erholung von der Zwangsarbeit, dafür einen Einblick in den NS-Wohnungsbau bietet die Durchquerung der gut erhaltenen Schmalzsiedlung.
Die Siedlung ist in der Ägide des stellvertretenden Gauleiters Kurt Schmalz von 1936 – 1939 realisiert worden.
2.400 Arbeiterfamilien sollten in der Nähe ihrer Arbeitsstätten „eine schöne und gesunde neuzeitliche Wohnungsstätte“ erhalten. Entstanden ist eine Mischung aus drei- und zweigeschossigen Miethäusern und kleinen Eigenheimen sowie Grünflächen und Kinderspielplätzen. Der heutige Nenndorfer Platz war als Siedlungsmittelpunkt geplant.3
7 Mahntafel für die Opfer Hannoverscher Konzentrationslager und des KZ Mühlenberg am Mühlenberger Markt
Das KZ Mühlenberg war als Teil des „Gemeinschaftslager Mühlenberg“4 ab 1942 von dem Verein Hannoversche Lagergemeinschaft e.V., dem viele Hannoversche Betriebe mit Rüstungsproduktion angehörten (u.a. Conti, Hanomag, Westinghouse), errichtet worden. Zweck des Vereins war die „Schaffung von Unterkunftsmöglichkeiten (Baracken und Lager) im Raum der Stadt Hannover und ihrer näheren Umgebung für ortsfremde Arbeiter und Kriegsgefangene der Rüstungsindustrie“.5
Zuletzt gehörten der „Lagergemeinschaft“ 170 Betriebe aus Hannover und der Region an.
In das KZ Mühlenberg wurden noch am 3. Februar 1945 500 ehemalige Häftlinge aus dem KZ Auschwitz eingeliefert. Kurz vor dessen Befreiung durch die Rote Armee am 27. Januar 1945 waren die 930 noch lebenden Häftlinge in Viehwaggons in das KZ Mauthausen in Österreich verfrachtet worden. 500 von ihnen wurden dann später ins KZ Mühlenberg transportiert. Als dieses am 6. April 1945 geräumt wurde, hat man die 500 meist jüdischen Häftlinge, die die unsäglich unmenschlichen Bedingungen im KZ Mühlenberg überlebt hatten und noch „marschfähig“ waren, auf einen „Todesmarsch“ in das KZ Bergen-Belsen gezwungen. Weitere Informationen
Weitere Elemente, die auf und um dem Mühlenberger Markt dem Erinnern an die grausame Geschichte des „Gemeinschaftslagers“ Rechnung tragen, sind die vielen Straßen und Einrichtungen, die Namen von Widerstandskämpfer*innen tragen; das Friedensmahnmal von Hans-Jürgen Breuste vor dem Stadtteilzentrum „Weiße Rose“; schließlich die Umbenennung der IGS Mühlenberg in Leonore Goldschmidt-Schule 2016/17. Weitere Informationen
8 Zwangsarbeiter*innenlager Bornumer Holz
Auf dem Weg zum Bornumer Holz passieren wir unter anderem den Kurt-Willkomm-Weg, dessen Name an den Wiederstandskämpfer erinnert.
Das Barackenlager war Teil der Lagergemeinschaft Hannover. Es wurde 1942 mitten in das Bornumer Holz an der Kuhbühre für französische, italienische, polnische und sowjetische Zwangsarbeiter*innen gebaut6 und brachte im Verlauf des Krieges bis zu 3.250 von ihnen unter. Es lag gegenüber dem damaligen Turnverein Körtingsdorf (heute SC Badenstedt). Dessen Gelände wurde auch bei Ausweitungen des Lagers nicht angetastet. Der „Leibesertüchtigung“ war in der NS-Ideologie bekanntlich ein großer Stellenwert eingeräumt.
9 Ausklang: Gaststätte Lindener Turm
Ort für absolute Entspannung 😊
Fußnoten
1 ↑ Janet v. Stillfried, Das Sachsenross unterm Hakenkreuz, Reiseführer durch Hannover und Umgebung 1933-1945, Göttingen 2016, 22
2 ↑ ebd., 23 f.
3 ↑ Janet von Stillfried, a.a.O., 86 ff.
4 ↑ Auch „Gemeinschaftslager-Ricklingen“, „Lager Wettbergen“, „Wettberger Mühle“, „Lager Mühlenberg“
5 ↑ Janet Anschütz u.a., Gräber ohne Namen, Hamburg 2006
6 ↑ Janet Anschütz u. Irmtraud Heike, Feinde im eigenen Land, Bielefeld 2000, 226, Anm. 61 vgl. auch https://de.wikipedia.org/wiki/Zwangsarbeiterlager_Bornumer_Holz